Knappenverein Glückauf-Südkamen 1901
"Barburka" das Fest der Bergleute
Das schwere und gefährliche Leben der Bergleute brachte es mit sich, dass sie immer wieder ihre Beschützerin, die heilige Barbara, um Schutz und Hilfe anflehen. Auf den Gruben wurden ihr über und unter Tage, in den Zechenhäusern sowie in den unterirdischen Kohlengrotten, Altäre und kleine Kapellen errichtet. In diesen Weihestätten waren Bilder oder Statuen der hl. Barbara mit Blumen geschmückt und mit Kerzen umgeben. In größeren Zechenhäusern waren auch oft Orgeln, Grubenfahnen, Bänke und Stühle vorhanden, so dass es schon einer kleinen Grubenkirche ähnlich sah.
Die heilige Barbara lebte in Nikomedien. Ihr Vater Dioskorus wollte Sie an einen reichen und vornehmen Freier vermählen, deswegen hütete er sie, als wäre sie sein größter Reichtum. Wenn Dioskorus auf Reisen ging, schloss er seine Tochter in einen Turm mit zwei Fenstern ein. Als er eines Tages zurückkehrte, fand er in dem Turmzimmer noch ein drittes Fenster ausgebrochen und darin das ihm verhasste Kreuzzeichen. Barbara bekannte ihrem Vater, dass sie Christin geworden ist und Kreuz und Fenster habe anbringen lassen. Dioskorus wollte seine Tochter auf der Stelle töten, sie entwich ihm jedoch. Später führte man sie vor den Richter. Die junge Christin wurde gefoltert und erlitt große Qualen. Sie ließ aber von ihrem Glauben nicht ab und wurde zum zweiten Male vom Richter verurteilt. Der grausame Vater tötete seine Tochter hernach mit eigener Hand. Während des Martertodes der heiligen Barbara wurde ihr Vater Dioskorus am Richtplatz vom Blitze erschlagen. Sankt Barbara ist in die Schar der vierzehn Nothelfer eingereiht und gilt als Helferin für einen guten Tod. Auch der Bauer ruft bei Unwetter und Blitzschlag um ihre Hilfe an; ebenfalls die Artillerie hat sie zu ihrer Schutzpatronin erkoren. Sankt Barbara ist auch unsere Adventsbotin, ein Kirschzweig an ihrem Gedächtnistag, dem 4. Dezember, ins Wasser gestellt, blüht am Weihnachtstage auf. Im Jahre 306 starb sie den Märtyrertod.
Fast alle Bergleute suchen vor ihrer Einfahrt in die Grube für einige Minuten die St. Barbara-Kapelle auf. Schon in ihre Arbeitskleidung umgezogen, in der Hand die Grubenlampe, auch Karbitka genannt, Steiger und Hauer noch mit dem Grubenstock, dem so genannten Kilof, stehen sie versunken im Gebet vor dem Bild ihrer Heiligen. Oft hat Sankt Barbara die Bergleute aus schwerer Not und Gefahr errettet; der starke Glaube, die Besinnung, die Erkenntnis und Vorsicht, die aus dem Gebet hervorging, lenkte oft ihre Arbeit unter Tage, sie half die drohende Gefahr zu wittern und vorauszusehen und somit diese abzuwenden und zu verhindern. Bei den Bergleuten entwickelte sich unter Tage der sechste Sinn. Sie wurden hellhörig und spürten die Gefahr oft voraus. Wie machtlos der Mensch gegen die Gewalten der Natur ist, fühlt er besonders unter Tage, wenn er durch Stein und Erdmassen von allen Seiten eingeschlossen, nur durch einen schmalen Weg mit der Außenwelt verbunden ist. Durch das Sprengen der Kohlenflöze fordert der Mensch die Gewalt der Natur heraus, ein kleines Grellen ein Erdrutsch und abgeschnitten ist der Weg der Bergleute nach außen. Auch die oft durchbrechenden unterirdischen Wassermassen, besonders auch die mit Sand vermengten die so genannten Kurschawka, gefährden aufs Äußerste das Leben der Bergleute. In den verlassenen Stollen lauern oft die schlagenden Wetter, welche jeder Sprengschuss zur Entladung bringen kann. Der Bergmann kennt die Gefahren, mit welchen er täglich unter Tage konfrontiert wird. Deswegen fleht er jeden Tag die überirdische Macht und Hilfe seiner Heiligen an. Dabei handelt es sich um eine tiefe Verehrung, welche aus einem Gefühl der Angst und Besorgnis hervorkommt. Der Bergmann bittet seine Heilige um Hilfe in der Gefahr und Not und um Errettung aus dieser. Auch für seine oft kinderreiche Familie und für seine Frau bringt er das Gebet dar.
Wenn St. Barbara die Bergleute wieder ein ganzes Jahr hindurch beschützt hat, so danken diese es ihr am 4. Dezember, dem Tag ihrer Heiligsprechung. Die so genannte Barburka ist wohl das größte und schönste Fest der Bergleute. Es wird nicht nur in unserer oberschlesischen Heimat gefeiert, sondern überall da, wo es Gruben und Bergleute gibt. So im Saarland, Ruhrgebiet usw. Am frühen Morgen versammelt sich die ganze Grubenbelegschaft in schmucker Bergmannsuniform vor dem Zechenhaus. So schwarz wie die Kohle, so ist auch die Farbe der Bergmannstracht. Am Kopfe tragen sie ihren Bergmannshut, den so genannten Tschako oder Koupak. Dieser ist geschmückt mit einem schwarzen Federbusch. Die Hauer haben einen schwarz-weißen Federbusch, die Steiger einen weißen Federbusch. Die Uniform ist aus schwarzem Tuch gefertigt, Kragen und Ärmel haben Aufschläge und am linken Arm ist das Zeichen der Bergleute "Hammer und Schlegel" angebracht. Die Steiger tragen zur Bergmannsuniform noch einen Degen. Jede Grube hat ihre Bergmanns-Musikkapelle. Auch diese haben ihre schwarzen Uniformen, nur tragen sie auf ihrem Tschako einen roten Federbusch. Die Bergleute nehmen am Grubenplatz vor dem Zechenhaus Aufstellung, die Kapelle spielt den Präsentiermarsch, die Beamten ziehen den Degen und die Fahnendelegation trägt aus dem Zechenhaus die Fahne der hl. Barbara heraus. Nun setzt sich der ganze Zug in Bewegung, voran die Kapelle, hinterher die Fahnendelegation, dann noch einige andere Grubenfahnen. Als nächster kam der Obersteiger, der den ganzen Umzug anführt. Hinter diesem die Grubenbeamten, dann die uniformierten Bergleute und zum Schluss die Grubenbelegschaft ohne Uniform. Der Zug bewegte sich vom Zechenhaus durch das ganze Dorf zur Pfarrkirche. Dort wurde ein feierliches Hochamt mit Predigt gehalten. In der Kirche war besonders der links vom Marienaltar sich befindende St. Barbara-Altar schön geschmückt und hell erleuchtet. Auch alle anderen Altäre, besonders der Hauptaltar, strahlten im Schmuck der Kerzen, Lampen und Blumen. Die Orgelmusik wurde verstärkt durch die Grubenkapelle, die zahlreich versammelte Geistlichkeit in ihren weiß-gold-roten Ornaten, die vielen Ministranten in ihren weißen Fräckchen, die dunklen Uniformen der Bergleute, die festliche Kleidung der Frauen, Mädchen und Kinder, der aufsteigende Weihrauch und sein sich überall verbreitender Duft, das alles gab eine unbeschreiblich festliche Atmosphäre. Wenn am Schluss des Festgottesdienstes der Lobgesang "Großer Gott wir loben Dich" durch die ganze Kirche mächtig erschallte, so konnte man bei manchen Anwesenden Tränen in den Augen erblicken. Nach dem Gottesdienst ging es zurück zum Zechenhaus, wo die Ehrungen der Bergleute vorgenommen wurden. Für eine 25jährige Zugehörigkeit zur Grube erhielten die Jubilare ein wertvolles Geldgeschenk, ein Diplom und oft auch eine goldene Uhr. In Ansprachen von Seiten der Bergbehörde wurden diese Menschen geehrt. Die Bergmannskapelle verschönerte die Feier und dabei durfte das Lied "Glück auf, der Steiger kommt" nie fehlen. Alle Bergleute erhielten auch für diesen Tag Bons, für welche sie in den Gasthäusern Essen und Trinken durften. Nach der Feier im Zechenhaus gingen die Bergleute ins Kasino oder in andere Lokale, dort feierten sie mit ihren Familien ihr schönes Fest. Am Abend gab es für die Jubilare eine besondere Feier.
Ansprachen, Musikeinlagen, Gedichte und gemeinsames Essen waren der Ausdruck der Ehrung. Es darf nicht vergessen werden, dass wir Kinder an diesem Tage schulfrei hatten und dadurch auch in den Genuss des Festes unserer Brüder und Väter kamen.
Für die meisten Menschen der Grubengegend war die "Barburka" das schönste Fest des Jahres. Möge dieses noch recht lange unseren Landsleuten in der oberschlesischen Heimat erhalten bleiben.
Aus dem Buch "So lebten wir in Oberschlesien" von Dr. Leopold Walla